Sid Meier`s Pirates! (MicroProse 1987)






Datei:Pirates Box Front Tape.jpg
Im Sommer 1989 oder 1990 war ich knappe 10 bzw.11 Jahre alt und kaufte mein erstes Videospiel. Es war Sid Meier`s Pirates!.  Damals erschienen für meinen C64. Ganz nebenbei gesagt, es ist auch das einzige Spiel gewesen, welches ich für dieses System jemals gekauft habe. Damals hatte ich noch kein Bewusstsein für Raubkopien (Asche über mein Haupt). Aber genau dieses Spiel wollte und musste ich im Original besitzen. Es war auch das erste Spiel, gegen das meine Eltern nicht protestierten und es gerade zu förderten, dass ich es spielte. Es lag nicht am Szenario, sondern an der Tatsache, das Spiel war komplett auf Englisch und ich sprach kein Englisch…warum denn auch als 9 jähriger. Aber dieses Spiel faszinierte mich, schon alleine durch die Mechanik und die Atmosphäre. Ich wollte aber tiefer in die Welt von Pirates! abtauchen, ich wollte verstehen was in dieser Welt geschah. Also bat ich meine Eltern, mir doch ein englisches Wörterbuch zu kaufen. Als ich es bekam, setzte ich mich hin und übersetzte mir Bildschirm für Bildschirm dieses Spiels und schrieb die Übersetzung in ein DinA4 Heft. Als meine Eltern sahen, was ich bereit war zu tun, den ich lernte zum ersten Mal freiwillig, gaben Sie zumindest temporär ihren Wiederwillen gegen Videospiele auf.  Für mich war Pirates! der Beginn einer Liebesbeziehung die bis zum heutigen Tage anhält.  Denn es kommt, zumindest meiner persönlichen Meinung nach, dem perfektem Spiel sehr nahe. 

Angriff von See und Navigation auf hoher See
Ob Pirates! wirklich das erste open World Spiel war, entzieht sich meiner Kenntnis, aber es war zumindest das erste Open World Spiel, welches ich jemals gespielt habe und Pirates! war bzw. ist groß. Es überzeugte durch aufwändige und man mag es heute kaum glauben bildhübsche Grafik, durch elegante Animationen und der Situation angemessener sowie passender Musik. Soweit so gut so gut aber bisher rechtfertigt es noch nicht den Platz, welches Pirate`s bis heute in meinem Herzen einnimmt. Denn, die Grafik und die Animation verblasst im Laufe der Jahre, auch wenn dieses Spiel erstaunlich gut gealtert ist, kann es sich selbstredend nicht mit heutigen Spielen messen. Auch die musikalische Untermalung, ist sicher ganz und gar nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Aber in einem Punkt überzeugt Pirate`s! bis heute. Die Spielemechanik ist nahezu perfekt und erzeugt einen süchtig machenden Sog, denn man sich auch nach 25 Jahren nicht entziehen kann. Es gibt nach wie vor einfach zu viel zu tun, zu entdecken zu genießen. Es sind insgesamt sechs Hauptziele sind zu erfüllen:
  1. Das Auffinden der gesamten Familie 
  2. Die Entdeckung der vier Inkaschätze (dies ist nur mit den Karten möglich, welche die Familie bei sich trägt
  3. Eine möglichst schöne und einflussreiche Gouverneurstochter zu heiraten
  4. Den Titel eines Herzogs (Duke) in allen 4 Nationen zu erreichen (was gerade bei den Spaniern zu einer mehr als großen Herausforderung wird) um dadurch einen möglichst großen Landbesitz zu gelangen
  5. Jedes Jahr den Silver Train und die Treasure Fleet finden und plündern
  6. Soviel Gold wie möglich für das Alter beiseite zu lege 
spannende Nahkämpfe
Dafür hatte man nicht unendlich lange Zeit. Das Piratenleben war ein hartes Leben. Mann alterte, litt  am Alter, an Misserfolgen, an  Gefängnissaufenthalte und an Verwundungen. Das Piratenleben zeichnete einen. Im Laufe der Zeit wurde es immer schwieriger, dass Spiel zu meistern. Irgendwann ging es nicht mehr und es wurde Zeit sich zur Ruhe zu setzen.  Wohl dem, der möglichst viele der obigen Ziele erfüllt hatte. Denn am Ende der eigenen Karriere wurde abgerechnet.  Wie viel Schätze hatte man gehoben  (je nach Schwierigkeitsgrad, wurde ein größerer oder eben auch kleinerer Teil des Goldes gewertet), welches Vermögen hatte man sich angesammelt?  Welches Vermögen hatte die Crew durchschnittlich bekommen? Welchen gesellschaftlichen Status hatte die Frau, die man ehelichte?  Wie groß waren die geschenkten Ländereien? Welche Adelstitel hatte man bei den unterschiedlichen Nationen erreicht?  Welche Niederlagen hatte man erlitten?
Pirates! rechnete all diese Punkte in eine abschließende Wertung ein, die von 0 bis 200 reichte und präsentierte einem, wie das Leben am Ende der Karriere weiterging. Je nachdem, wie viel Punkte man sammelte, reichte dies von einem mittellosen Bettler bis hin zum Berater des Königs. Diese Endabrechnung  motivierte unglaublich, eine möglichst perfekte Karriere zu absolvieren.  Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern, als ich am Ende eines Piratenlebens endlich den Titel des königlichen Beraters erreichte.  Dies war Mitte der 90er Jahre und es lagen gefühlte hundert Spiele hinter mir. 
Es ist möglich zu scheitern
Aber zurück zum Anfang. Pirates! beginnt mit einer Tragödie. In der Kindheit  des Protagonisten wurde die Familie verschleppt und gilt ist seit dem in der Karibik als verschollen.  Man lebt in ärmlichen Verhältnissen, bis man sich eines Tages alt genug ist um  auf einem Schiff anzuheuern um dort, als freier Mann das Glück und seine Familie  zu finden. Man entscheidet sich, ob man mit englischer, spanischer, niederländischer oder spanischer Nationalität man beginnt,  wählt eine für sich charakteristische Eigenschaft  (z.B.: gut im Fechten, gut im navigieren, langlebig ist oder sehr charmant  und damit einen Schlag bei den Frauen hat. Man wählt eins von vier Startjahren fest. In der Kombination aus diesen Wahlmöglichkeiten und dem gewählten Schwierigkeitsgrad  ergibt sich der eigentliche Schwierigkeitsgrad des Spiels. Es kommt natürlich wie es kommen muss. Der Kapitän des Schiffes ist ein Menschenschinder und die Überfahrt alles andere als erfreulich. Dieser Umstand, legitimiert aber natürlich im Umkehrschluss eine Meuterei und der Zufall will es nun einmal so, dass man selbst der Anführer der hoffentlich erfolgreich verlaufenden Meuterei ist. Ist dies nicht der Fall, ist das Spiel auch schon wieder vorbei. Aber wer ein erfolgreicher Freibeuter werden möchte, für den ist der alte Kapitän kein Problem und man erreicht die Karibik, mit einem kleinem dafür aber schnellen und wendigem Schiff, einer Crew, etwas Gold und einigen Kanonen. Die karibische See erwartet einen. 
fette Beute

Es steht nun einem frei, ob man sich als Händler, Pirat oder Freibeuter betätigt. Irgendeine Nation führt immer Krieg gegen eine andere und vergibt Kaperbriefe. Pirates! simuliert dabei ein en dynamischen Krieg unter den Großmächten, als Spieler kann man sich einer oder sogar mehreren Seiten anschließen. Apropos Großmächte. Diese merken sich die Aktionen des Spielers. Wer also häufig die Spanier überfällt, wird eines Tages von ihnen gehasst und verfolgt. Man kann dann noch versuchen eine Amnestie zu erwirken, dies stellt einem allerdings vor eine Herausforderung.  Oder auch keiner und auf eigene Rechnung einfach alle bekämpfen. Allerdings, kann man dann nicht um eine Frau und um Titel/Land buhlen. Man kann Städte bereisen, Handel treiben, seine Beute verkaufen, Aufträge von Gouverneuren annehmen, in Tavernen zechen und von zwielichtigen Gestalten Schatzkarten kaufen. Man hört sich nach Gerüchte um, wo denn die eigene verschollene Familie versteckt sei, geht diesen Gerüchten  nach, sucht Schätze und baut sich nach und nach eine immer stärker werdende Flotte und einen immer höheren Bekanntheitsgrad sowie einen Ruf auf. Bis man eines Tages so mächtig geworden ist, das man sogar befestigte Städte angreifen kann. Allerdings stehen einem nur wenige Monate/ Jahre (je nach Erfolg und Misserfolg) pro Kaperfahrt zu Verfügung.  Je länger man sich mit einer Mannschaft auf See befindet, desto unwilliger wird sie. Und Gnade einem Gott, der Proviant geht aus. Dies lässt sich nur mit Gold wieder ausgleichen. Denn wenn eine Kaperfahrt sehr erfolgreich verläuft, dann steigt die Laune und kann mehrere Monate auf See sich befinden. Man beachte dabei, das das gesamte erbeutete Gold dabei auf einen selbst und die Mannschaft aufgeteilt wird. Je größer der Anteil, desto größer die Freude. Sprich eine große Mannschaft, ist schwieriger zufrieden zu halten als eine kleine. Allerdings kann man mit sehr großen Mannschaften auch große Städte plündern, die enorme Beute versprechen. Ignoriert man die Unzufriedenheit seiner Mannschaft, kommt es zur Meuterei. Die man tunlichst auch niederschlagen sollte. Meist habe ich mir eine große Mannschaft erarbeitet und habe gegen Ende der Kaperfahrt, ein oder zwei große Städte überfallen. Was meine Mannschaft ordentlich dezimierte, aber dafür enorme Profite „erwirtschaftete“, welcher  die Überlebende überglücklich werden ließ. Niemand hat behauptet, das Piratenkapitäne keine berechneten Mistkerle sein müssen.  Umso erfolgreicher man ist, umso leichter fällt es einem, Männer für seine Sache zu gewinnen. Denn Erfolg beschert einem einen „guten“ Ruf und die Mannschaft ist geduldiger. Aber auch die erfolgreichste Kaperfahrt muss irgendwann enden. Mehr als zwei/drei Jahre kann man sich nicht „am Stück“ auf See befinden. Um es klar zu stellen, das Ende einer Kaperfahrt bedeutet nicht das Ende der Piratenkarriere. Es ist eher wie eine Art zwischenstand zu sehen. Die bisher angesammelte Beute wird verteilt. Der Spieler legt sich seinen Anteil auf die Hohe Kante und diese  geht damit schon einmal in die Siegespunkterechnung ein. Oft ist es auch eine gute Idee, nach sehr ertragreichen Plünderungen, die Kaperfahrt schon früh zu beenden. Denn, das Gold, welches auf der hohen Kante liegt, ist sicher.
Land in Sicht! und ab in den Hafen
Denn in Pirates! gibt es mannigfaltige Möglichkeiten alles wieder zu verlieren, was man sich auf der Kaperfahrt „erwirtschaftet“ hat. Gerade wenn man älter wird und körperlich nicht mehr so agil ist, steigt das Risiko einen entscheidenden Kampf zu verlieren und ins Gefängnis zu wandern. In diesem Fall verliert man alles. Am Ende einer Kaperfahrt,  behält sein Flaggschiff und es gehen einige Monate ins Land. Nach dieser „Regenerationsphase“ , folgt ein Teil der alten Mannschaft dem Aufruf zu einer  neuen Kaperfahrt. Wie viele dies sind, hängt vom Ruf des Kapitäns ab. Nun hat man wieder einige Monate und Jahre Zeit, die Karibik zu bereisen und seine Ziele zu verfolgen.  Bis eines Tages der Tag kommt, an dem der eigene Körper nicht mehr in der Lage ist, den Strapazen auf See zu trotzen. Es wird Zeit sich zur Ruhe zu setzen. Wohl dem, der möglichst viele der Ziele erfüllt hat.

Ich könnte mich nun unendlich in Details verlieren, welche Aspekte Pirates! schon alles simulierte, was die Welt einem alles bot, dies ist umso erstaunlicher, wenn man betrachtet in welchem Jahr Pirates! erschien, aber ich kann es auch kurz zusammenfassen. Da Spiel war und ist großartig. Es bietet bis heute eine sehr hohe Spieltiefe und erzeugt eine hohe Motivations/Suchtspirale. 
Im Laufe der Jahrzehnte sind mehrere Versionen erschienen. Zuletzt im Jahre 2004 eine 3D Neuauflage, welches Pirates! spielerisch wie grafisch etwas modernisiert. Welche Version man spielt, ist persönliche Geschmackssache.  Aber jeder der sich für Videospiele interessiert, sollte sich dieses Juwel nicht entgehen lassen. Alle sind großartig. Ich bevorzuge das Original von 1987 und die Neuauflage von 2004.

Kommentare